Dienstag, 24. März 2009

24 Thesen zum bedingungslosen Grundeinkommen

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von Theophil Wonneberger
Kontakt: mail@theophil.de · Infos: www.grundeinkommen.de
1. Seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert steigt die Produktivität kontinuierlich an.
Die Erfolge bei der Automatisierung haben diesen Prozeß beschleunigt und werden ihn künftig
noch weiter beschleunigen. Dadurch werden erstmals in der Menschheitsgeschichte erhebliche
Anteile der Bevölkerung nicht mehr für die Produktion der notwendigen Güter benötigt.
2. Vollbeschäftigung war bereits vor der Industrialisierung die Ausnahme. Um so absurder ist die
Hoffnung, sie würde sich in Zukunft jemals verwirklichen lassen. Doch selbst bei
Vollbeschäftigung wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) sinnvoll, weil es Freiheit
vom Arbeitszwang für alle Arbeitenden schafft.
3. Bereits seit langem läßt sich beobachten, daß erhebliche Teile der Bevölkerung nicht mehr in
den Arbeitsprozeß integriert sind. Dadurch sind sie auch vom Einkommen ausgeschlossen.
Bereits heute schon werden diese Bevölkerungsteile entweder direkt durch Sozialleistungen oder
indirekt über subventionierte Wirtschaftszweige mit großem finanziellen Aufwand ernährt. Weil
aber die Schaffung neuer Arbeitsplätze immer weniger gelingt, kann die Lösung nur sein, das
Einkommen von der Arbeit abzukoppeln.
4. Ein großer Teil der Arbeit, die heute verrichtet wird, besteht aus sinnloser und gesellschaftlich
wenig nützlicher Beschäftigung, wie z.B. große Teile der Bürokratie, oder ist sogar schädlich, wie
z.B. die Rüstungsindustrie oder Tierversuche. Diese Art von Arbeit dient v.a. der
Aufrechterhaltung der bestehenden Wirtschaftsordnung, die ohne permanentes Wachstum und
Naturverbrauch nicht funktionieren kann. Auf sie könnten wir leicht verzichten, ohne dass es uns
deswegen schlechter ginge.
5. Jede Tätigkeit, die nur dazu dient, Geld zu verdienen, ist des Menschen unwürdig. Arbeit führt
nur dann zu Zufriedenheit, wenn sie für den Einzelnen sinnvoll ist, Spaß macht und um ihrer
selbst willen verrichtet wird.
6. Wenn Menschen ein BGE bekommen, können sie nicht mehr zur Arbeit gezwungen werden.
Unbeliebte und sinnentleerte Arbeit wird nicht mehr hingenommen oder muss entsprechend
gut bezahlt werden.
7. Wer ein existenzsicherndes BGE bekommt, kann nicht mehr sagen, er müsse unmoralische
Arbeit annehmen, nur weil er das Geld brauchte. Kriege wären so vermutlich wesentlich
schwieriger zu führen.
8. Ein BGE, das von der Bevölkerung durchgesetzt und als Grundrecht verankert wäre, würde
echte Freiheit und Sicherheit für alle bringen. Eine Politik, die auf Angst und Zwang beruht,
wäre dann nicht mehr möglich. So müsste sich niemand mehr vor seinem Vorgesetzten ducken
aus Angst, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Auch könnten alle ihre politische Meinung frei
äußern, ohne deswegen mit materiellen Nachteilen rechnen zu müssen. Nur durch diese
Nichterpressbarkeit kann es echte Demokratie geben.
9. Die Befreiung der Menschen von der Existenzangst würde Spielräume schaffen, die eine Fülle
an Kreativität hervorrufen können, welche wiederum zu neuen Ideen und Produkten führt und
am Ende sogar der ganzen Wirtschaft nützt. Jeder könnte sich in dem Maße selbst verwirklichen,
wie er es gerne möchte.
10. Die enorme Wirtschaftsleistung macht es heute möglich, allen ein existenzsicherndes
Grundeinkommen zu zahlen. Statt die Menschen durch sinnlose Arbeiten und mit teuren
Maßnahmen ruhig zu stellen, sollte das Geld besser direkt und ohne Bedingungen ausgezahlt
werden.
11. Politiker und Ökonomen reden uns ein, dass das Geld knapp sei und deswegen überall gespart
werden müsse. Es ist aber genug für alle da. Alle Grundbedürfnisse können leicht befriedigt
werden, wenn der Reichtum besser verteilt wird.
12. Zur Finanzierung eines BGE sollten v.a. leistungslose Einkommen wie Kapitaleinkünfte,
Pachteinnahmen und Monopolgewinne herangezogen werden. Dadurch würde genug Geld
zusammenkommen, und es wäre durch die Umverteilung von oben nach unten eine gerechte
Lösung.
13. Häufig wird kritisiert, dass das Grundeinkommen ohne Gegenleistung ausgezahlt werden soll.
Wer gegen leistungslose Einkommen ist, sollte aber besser an den Kapitaleinkünften Anstoß
nehmen, die ebenfalls ohne Gegenleistung bezogen werden. Während das BGE demokratisch
beschlossen ist, gleichmäßig an alle verteilt wird und existenzielle Bedürfnisse absichert, sind
Kapitaleinkommen undemokratisch, extrem ungleich verteilt und wachsen immer schneller.
14. Eine weitere sinnvolle Möglichkeit, neben anderen Steuern, ist die Finanzierung aus einer
Ressourcensteuer. Sie wäre der eleganteste Weg, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz
gleichzeitig zu erreichen. Umweltverschmutzung und Ressourcenverbrauch gehen zurück, wenn
sie besteuert werden. Wenn die Steuereinnahmen anschließend gleichmäßig an alle verteilt
werden, werden automatisch Vielverbraucher bestraft und umweltbewusstes Verhalten belohnt.
Eine solche Ökosteuer würde von der Bevölkerung akzeptiert werden.
15. Ein BGE, das auf demokratischem Weg erreicht wurde, befreit von sozialstaatlicher
Bevormundung. Es ist ein Modell für mündige Bürger, die selbst am besten wissen, was ihnen
gut tut.
16. Das BGE befreit die Menschen von den wirtschaftlichen Abhängigkeiten untereinander und
damit voneinander. So müssten z.B Lebenspartner, die sich nicht mehr verstehen, nicht länger
zusammen wohnen. Kinder könnten in die Selbstständigkeit entlassen werden, wenn es ihrer
Entwicklung entspricht. Menschen werden in Zukunft zusammen leben, weil sie es wollen, nicht
weil sie es müssen.
17. Wenn alle ein BGE beziehen, können sie ihre Arbeitszeit freiwillig verkürzen, ohne ihre Existenz
zu gefährden. Wenn alle weniger arbeiten, kann die Arbeit auch besser verteilt werden. Ein
Mindestlohn wird überhaupt nicht mehr nötig sein, weil niemand mehr schlecht bezahlte Arbeit
annehmen wird.
18. Das BGE muss bedingungslos gewährt werden. Es sichert die lebensnotwendige
Grundversorgung, und Grundversorgung ist ein Menschenrecht. Menschenrechte sind immer
bedingungslos.
19. Auch die großen Religionen thematisieren die Gerechtigkeitsfrage. So finden sich z.B. in der
christlichen Religion Begründungen für ein BGE. Das biblische Gebot der Nächstenliebe ist die
zentrale Botschaft des Neuen Testaments und umfasst auch materielle Bedürfnisse. Echte Liebe
ist nur bedingungslos denkbar.
20. Zur Bedingungslosigkeit gehört die Auszahlung eines Mindestbetrags in existenzsichernder
Höhe. Wenn das Grundeinkommen zu niedrig ist und zum Leben nicht reicht, gibt es faktisch
weiterhin einen Arbeitszwang und keine wirkliche Freiheit. Nicht alle Grundeinkommenskonzepte
sind armutsfest, und damit auch nicht wirklich bedingungslos.
21. Bedingungslosigkeit beinhaltet auch das Recht auf Faulheit bzw. Müßiggang. Niemandem darf
vorgeschrieben werden, welche Arbeit er tun soll, oder ob er überhaupt zu arbeiten hat. Nur
wenn die Möglichkeit besteht, Nein zu sagen, kann es echte Freiheit geben.
22. Auch die sogenannten Faulenzer sind gesellschaftlich wichtig. Sie sind der lebendige Beweis
dafür, dass die Menschen nicht mehr zur Arbeit gezwungen werden können und das
Grundeinkommen wirklich bedingungslos ist. Die Möglichkeit des Ausstiegs stärkt die Position
der Arbeitenden gegenüber ihren Arbeitsgebern ganz erheblich. Damit wäre das Hauptziel der
Gewerkschaften endlich erreicht.
23. Das BGE kann regional eingeführt werden, wenn es politisch gewollt wird. Seinen wahren Sinn
erfüllt es aber erst, wenn es als globales soziales Recht weltweit durchgesetzt wird. Dann
sichert es das Überleben aller Menschen und schließt niemanden mehr aus.
24. Die Einführung eines BGE bedeutet sicherlich nicht das Ende aller Ausbeutung. Es kann aber
die Grundlage sein, auf der sich die Menschen von Zwängen befreien können, und es kann
Spielräume schaffen für die Weiterentwicklung der gesamten Gesellschaft.