Wirtschaftskrise
© ZEIT ONLINE, Reuters, dpa 22.2.2009 - 20:39 Uhr
Europas G20-Länder haben sich beim Gipfeltreffen in Berlin für eine lückenlose Finanzmarktaufsicht ausgesprochen. Ausgespart wurde dagegen die prekäre Lage einiger Staaten Osteuropas
Bundeskanzlerin Merkel, Gastgeberin der EU-Runde zur Vorbereitung des Weltfinanzgipfels im April.
Die europäischen Mitglieder der G20-Gruppe haben sich vor dem Welt-Finanzgipfel im April auf Vorschläge für eine lückenlose Aufsicht über die globalen Finanzmärkte verständigt. Ziel ist es, eine Wiederholung der Finanzkrise zu vermeiden.
"Wir haben heute nochmals unterstrichen, dass alle Finanzmärkte, -produkte und Marktteilnehmer lückenlos und unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben, einer angemessenen Aufsicht oder Regulierung unterstellt werden müssen", heißt es in der Abschlusserklärung des deutschen Vorsitzlandes zum Berliner EU/G20-Gipfel vom Sonntag. Das müsse auch für große private Kapitalsammelstellen gelten, einschließlich Hedgefonds, von denen potenziell eine Gefahr für die Stabilität des Welt-Finanzsystem ausgehen könnte. Auch Rating-Agenturen, die Risiken bewerten, sollten sich registrieren lassen müssen und einer Aufsicht unterliegen.
Die Umsetzung der 47 Vorschläge aus dem G20-Aktionsplan vom November soll nach dem Willen der Europäer vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Forum für Finanzstabilität (FSF) überwacht werden. Beiden Institutionen schreiben die Europäer auch eine zentrale Rolle als Frühwarner bei Krisen zu. Der IWF soll auch eine wichtige Rolle bei der Hilfe für Mitgliedsländer spielen, die mit Finanzproblemen kämpfen. Die EU-Mitglieder der G20 unterstützten daher die Forderung, die Mittel des IWF für solche Zwecke zu verdoppeln.
Zur Harmonie an diesem trüben Tag in Berlin hatte beigetragen, dass die Gastgeber diesmal breit eingeladen hatten. Sarkozy hatte vor Washington ein ähnliches Treffen organisiert. Damals waren aber nur Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland erschienen. Das erzeugte viel Unmut. Kleinere Länder fühlten sich übergangen - aber auch die Spanier, die unter den Top 10 der Industrienationen rangieren. Daraus hat Merkel gelernt - und kassierte allseits Lob.
Allerdings könnte auch der europäische Burgfriede in den nächsten Monaten Belastungen ausgesetzt werden. In Merkels Zusammenfassung der Ergebnisse lautete eine Überschrift: «Akute Krisenbewältigung darf nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.» Rettungspläne für einzelne Industriezweige dürften «keine unangemessenen einseitigen Vorteile enthalten». Befragt, was das etwa für die Autobranche bedeute, verwies Merkel auf die EU-Kommission, die in Europa über den freien Wettbewerb wacht. Sie erinnerte aber vor allem an die USA und deren Programme. Das ist wohl der wahre Hintergrund der europäischen Warnung aus Berlin vor zu viel Marktabschottung und Subventionen. Erste Priorität haben dazu laut Abschlusserklärung die Verhandlungen über den Abbau von Handelshürden, die sogenannte Doha-Runde, doch noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.
Ein Thema versuchten die großen Europäer zu umschiffen: Die Lage einiger osteuropäischer Länder und der dortigen Banken. Das Gerücht von Zahlungsschwierigkeiten geht um. Nur indirekt machten die Teilnehmer deutlich, dass sie das Problem alarmiert. Die Mittel für den Internationalen Währungsfonds (IWF), der als Feuerwehr im Krisenfall einspringen müsste, sollen verdoppelt werden.
TEIL 2
Ebenfalls Teil der gemeinsamen europäischen Position in der Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer ist es, den Banken abzuverlangen, in guten Zeiten Eigenkapitalpuffer zu bilden, um weniger risikoanfällig in schlechten Zeiten zu sein. Fehlanreize in den Vergütungen von Managern, die Risikofreude und Kurzfrist-Orientierung honorieren, sollen korrigiert werden. Außerdem wird ein schärferes Vorgehen gegen Länder gefordert, die als Steueroasen gelten und als unkooperativ in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -betrug. Gefordert wird, so schnell wie möglich eine Liste solcher unkooperativer Staaten und einen Sanktionskatalog aufzustellen.
Die Punkte des Abschlusspapiers im einzelnen
- Alle Finanzmärkte, -produkte und Marktteilnehmer auch Hedgefonds und andere private Anlagegesellschaften - sollen einer angemessenen Aufsicht oder Regulierung unterstellt werden.
- Es sollen Sanktionsmechanismen entwickelt werden, um verstärkt gegen Steueroasen und «unkooperative» Finanzzentren vorzugehen.
- Die Banken sollen in guten Zeiten zusätzliche Eigenkapitalpuffer aufbauen, um für schlechte Zeiten künftig besser gerüstet zu sein.
- Auf dem Londoner Gipfel sollen Gespräche über eine globale Charta für nachhaltiges Wirtschaften aktiv unterstützt werden.
TEIL 3
- Zur akuten Krisenbewältigung sollen nur Maßnahmen ergriffen werden, die den Wettbewerb so gering wie möglich verzerren. Dies wird auch von den anderen G20-Mitgliedern erwartet. Die EU-Spitzen wollen keine protektionistischen Maßnahmen ergreifen.
- Der Internationale Währungsfonds (IWF) und das bisher nur von Industrieländern getragene Forum für Finanzstabilität (FSF) sollen beauftragt werden, die Umsetzung des in Washington im November vereinbarten G20-Aktionsplans zu überwachen und voranzutreiben.
- Die EU-Spitzen unterstützen Pläne, die Mittel des IWF zu verdoppeln, damit er Ländern bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten schnell und flexibel helfen kann.
Trotz der vielen Konjunktur- und Finanzhilfepakete sehen die EU-Länder in der G20 die aktuelle Lage weiter als angespannt an. Das Vertrauen am Finanzmarkt sei noch nicht wiederhergestellt.