Montag, 16. Februar 2009

Heiner Geißler, aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Heiner Geißler

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Heiner Geißler, 1978
Heiner Geißler im Dezember 2007

Heinrich „Heiner“ Geißler (* 3. März 1930 in Oberndorf am Neckar) ist ein deutscher Politiker (CDU).

Er war von 1982 bis 1985 Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit und von 1977 bis 1989 Generalsekretär der CDU. Im Mai 2007 trat er der globalisierungskritischen Organisation Attac bei.

Inhaltsverzeichnis

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Leben und Beruf [Bearbeiten]

Heiner Geißler wurde noch in der Endphase des Zweiten Weltkrieges zum Schanzdienst eingezogen; ihm gelang jedoch mit einem Schulkameraden die Flucht nach Hause. Als Kind lebte er einige Jahre in Tuttlingen und erlernte dort das Klettern im Donautal. Nach dem Abitur 1949 am Kolleg St. Blasien trat er mit 19 Jahren dem Jesuitenorden bei, verließ ihn jedoch nach vier Jahren wieder. Geißler studierte Philosophie an der von Jesuiten betriebenen Hochschule für Philosophie München und anschließend Rechtswissenschaften in München und Tübingen. In Tübingen wurde er Mitglied der katholischen Studentenverbindung Alamannia. Sein juristisches Studium schloss er 1957 mit dem ersten Staatsexamen ab. 1962 folgte das zweite Staatsexamen. 1960 promovierte er zum Dr. jur. mit der Arbeit Das Recht der Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes. Er war dann 1962 zunächst als Richter am Amtsgericht Stuttgart tätig und von 1962 bis 1965 als Regierungsrat Leiter des Ministerbüros des Arbeits- und Sozialministers des Landes Baden-Württemberg.

Heiner Geißler ist verheiratet und hat drei Kinder. Er lebt seit 1980 in Gleisweiler.

Heiner Geißlers Büro ist in Dahn.

Politische Karriere [Bearbeiten]

Partei [Bearbeiten]

Heiner Geißler, 1978

Geißler ist Mitglied der CDU. Von 1961 bis 1965 war er Landesvorsitzender der Jungen Union Baden-Württemberg. 1977 wurde er zum Generalsekretär der CDU gewählt. Auf dem Bundesparteitag der CDU im September 1989 wurde Geißler nicht erneut als Generalsekretär vorgeschlagen, nachdem sich zwischen ihm und Helmut Kohl erhebliche Differenzen über den weiteren Kurs der CDU entwickelt hatten. Er gehörte danach bis 1998 dem Präsidium der CDU an. Am 26. November 1999 räumte er im Verlauf der CDU-Spendenaffäre ein, dass die Partei in der Ära Kohl „schwarze Konten“ geführt habe. Von 1994 bis 2002 war er Mitglied im CDU-Bundesvorstand.

Als Generalsekretär der CDU von 1977 bis 1989 erreichte er drei für die CDU erfolgreiche Bundestagswahlen mit dem Regierungswechsel 1982, weiterhin die Verabschiedung des Grundsatzprogramms der CDU, die neue Außenpolitik auf dem Jugendparteitag in Hamburg als Voraussetzung für die spätere Koalition mit der FDP und die neue Frauenpolitik der CDU (Bundesparteitag 1985 in Essen). Mit Heiner Geißler als Generalsekretär wurde die CDU zu einer Mitglieder- und Programmpartei und zu einer schlagkräftigen politischen Organisation.

Abgeordneter [Bearbeiten]

Von 1965 bis zur Niederlegung seines Mandates am 11. Oktober 1967 nach seiner Berufung zum Sozialminister in die Landesregierung von Rheinland-Pfalz sowie von 1980 bis 2002 war Geißler Mitglied des Deutschen Bundestages. Hier war er nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Generalsekretärs der CDU im Jahre 1989 nach der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im Jahr 1990 von Januar 1991 bis Oktober 1998 Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Von 1971 bis 1979 gehörte Geißler zudem dem Landtag von Rheinland-Pfalz an.

In einer Bundestagsdebatte zum NATO-Doppelbeschluss am 15. Juni 1983 führte Geißler zu dem in einem Spiegel-Interview geäußerten Auschwitz-Vergleich des Grünen-Abgeordneten Joschka Fischer unter ausschließlicher Bezugnahme auf die Appeasement-Politik der europäischen Westmächte aus:[1]

„[...], die Massenvernichtung in Auschwitz gedanklich in Verbindung zu bringen mit der Verteidigung der atomaren Abschreckung eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats, dies gehört ebenfalls in das Kapitel der Verwirrung der Begriffe und der Geister, die wir jetzt bestehen müssen. Herr Fischer, ich mache Sie als Antwort auf das, was Sie dort gesagt haben, auf folgendes aufmerksam: Der Pazifismus der 30er Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem heutigen unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der 30er Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.“

Entgegen der nachhaltigen Unterstützung aus den Reihen der Befürworter des NATO-Doppelbeschlusses wurde Geißler von einzelnen Abgeordneten anderer Fraktionen daraufhin u. a. „Geschichtsklitterung“ vorgeworfen. So fragte die linksliberale FDP-Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher in diesem Zusammenhang, „was denn der Pazifismus mit dem Judenhass in Deutschland zu tun habe“.

Heiner Geißler zog 1965 als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Reutlingen und danach stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Südpfalz in den Bundestag ein.

Öffentliche Ämter [Bearbeiten]

Am 18. Mai 1967 wurde er als Sozialminister in die von Ministerpräsident Peter Altmeier geführte Landesregierung des Landes Rheinland-Pfalz berufen. Dieses Amt behielt er auch unter dem seit dem 19. Mai 1969 amtierenden Ministerpräsidenten Helmut Kohl. Ab dem 18. Mai 1971 war er dann Minister für Soziales, Gesundheit und Sport. Er gehörte auch der von Bernhard Vogel ab dem 2. Dezember 1976 geleiteten Landesregierung an. Am 23. Juni 1977 schied er aus dem Landeskabinett aus.

Vom 4. Oktober 1982 bis zum 26. September 1985 war er Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit in der von Bundeskanzler Helmut Kohl geführten Bundesregierung.

Kabinette [Bearbeiten]

Politisches Engagement nach dem Austritt aus der aktiven Politik [Bearbeiten]

Schlichter in Tarifkonflikten [Bearbeiten]

Geißler vermittelt seit 1997 regelmäßig in Tarifkonflikten. Zwischen 1997 und 2002 war insgesamt viermal als Schlichter in der Bauindustrie tätig und vermittelte 2006 in der Tarifauseinandersetzung der Deutschen Telekom. Im August 2007 wurde Geißler zusammen mit Kurt Biedenkopf zum Vermittler im Tarifstreit zwischen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und der Deutschen Bahn berufen. [2]

Mitgliedschaft in der Attac und Kritik am Marktradikalismus [Bearbeiten]

Später zeichnete sich Geißler durch verhältnismäßig liberale, teilweise auch linke Positionen aus, wobei er bestimmte Positionen als „ultrakonservativ“, „turbokapitalistisch“, „neoliberal“, „rückwärtsgewandt“ oder „von gestern“ bezeichnete. Basierend auf seiner Kritik erklärte er in einem Interview mit Spiegel Online im Mai 2007 seinen Beitritt zur globalisierungskritischen Organisation Attac. Er erklärt dies mit der von Attac angestrebten Humanisierung des Globalisierungsprozesses, die er unterstützen wolle. Eine Mitgliedschaft in der CDU spreche nicht gegen ein Engagement als Globalisierungskritiker. [3]

„Das gegenwärtige Wirtschaftssystem ist nicht konsensfähig und zutiefst undemokratisch, es muss ersetzt werden durch eine neue Wirtschaftsordnung.“

Heiner Geißler: in der Sendung „Razzien und Randale – Wie weit dürfen Staat und Demonstranten gehen?“ von Maybrit Illner am 31. Mai 2007

In einem Interview mit dem Zuender in Kalenderwoche 21, 2007 bezeichnete Geißler ein Wirtschaftssystem, „in dem Hedgefonds unkontrolliert arbeiten können, sogenannte Geier-Fonds riesige Gewinne auf Kosten hochverschuldeter afrikanischer Länder machen und in dem der Börsenwert eines Unternehmens umso höher steigt, je mehr Arbeitnehmer wegrationalisiert werden“, zudem als „krank, unsittlich und ökonomisch falsch“. Der Kapitalismus sei, da er „keine Werte jenseits von Angebot und Nachfrage“ kenne, genauso falsch wie der Kommunismus. Ein Vorbild für einen zu findenden neuen Mittelweg könne zwar „die alte deutsche soziale Marktwirtschaft“ sein. Da die Märkte jedoch bereits globalisiert seien, könne der Nationalstaat als solcher hierfür keine Lösungen mehr bieten, vielmehr müsse sich im Gegenzug auch die Politik internationalisieren. Impulse dafür müssten allerdings - anstelle eines nationalstaatlichen Zentralismus - von regionalen, unterstaatlichen Ebenen ausgehen; denn: „Nur sie können Heimat vermitteln, nur dort können sich Menschen wiederfinden.“ Doch habe die EU als überstaatliche Organisation aufgrund ihrer übermäßigen Wirtschaftsorientierung bei der Bevölkerung an Vertrauen verloren.[4]

Kontroversen [Bearbeiten]

1977 hatte Geißler eine Broschüre zu verantworten, in der er viele linke und liberale Kulturschaffende und Politiker der Bundesrepublik Deutschland als „Sympathisanten des Terrors“ (der RAF) beschuldigte, darunter Helmut Gollwitzer, Heinrich Albertz, Günter Wallraff, Herbert Marcuse und Bundesinnenminister Werner Maihofer.

1983 sprach Geißler von der SPD als „fünfte Kolonne der anderen Seite“, als es um die Stationierung von Mittelstreckenraketen ging.

Willy Brandt warf Geißler am 12. Mai 1985 vor, der „schlimmste Hetzer seit Goebbels“ zu sein. Geißler wertete es als Reaktion auf seine Kritik an den Oberbürgermeistern von Dresden und Leipzig, die er als diktatorische bezeichnet hatte.[5] Im gleichen Jahr verließen aus Protest einige Teilnehmer eine Gedenkveranstaltung zum Attentat vom 20. Juli 1944, als Geißler eine Ansprache hielt.

Geißler übte umstrittene Kritik an der Verleihung des Friedensnobelpreises an International Physicians for the Prevention of Nuclear War, da deren Vizepräsident, der sowjetische Gesundheitsminister Tschasow, Dissidenten in psychiatrische Anstalten einweisen ließ.

Sein Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender wurde infrage gestellt, als er die CDU als „führerkultischen Partei“, auf die Rolle Helmut Kohls anspielend, bezeichnete.[6]

2007 kommentierte er die Polizeigewalt beim G8-Gipfel in Heiligendamm mit den Worten:

„Wenn mich einer anfasst, dann schlage ich zurück – und wenn es ein Polizist ist, dann schlage ich zurück. Wenn ich demonstriere, dann übe ich ein Grundrecht aus, dann lasse ich mich nicht anfassen – von niemandem.“

Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft NRW und Vizevorsitzende im Bund, Rainer Wendt, der selber CDU-Mitglied ist, forderte daraufhin Geißlers Parteiausschluss.[7]

Sonstiges [Bearbeiten]

Heiner Geißler ist passionierter Bergsteiger und Gleitschirmflieger. Ab 1992 war er Vorsitzender, seit 2004 Ehrenvorsitzender des „Kuratoriums Sport und Natur e.V.“. Am 18. Oktober 1992 zog sich Geißler durch einen Sturz beim Gleitschirmfliegen in der Nähe von Annweiler (Südpfalz) schwere Verletzungen zu.

1995 wurde er mit dem Orden wider den tierischen Ernst des Aachener Karnevalsverein ausgezeichnet.

Geißler ist ein gefragter Redner und Gast in Diskussionssendungen. 2005 moderierte er gemeinsam mit Peter Glotz eine monatliche Sendung (Glotz & Geißler) auf n-tv.

Geißler besitzt einen Weinberg in der Südpfalz (WeinlageGleisweiler Hölle“).

Geißler ist Alter Herr der Studentenverbindung K.St.V. Alamannia im Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine zu Tübingen.

Geißler unterstützt die Aktion Grundgesetz des LSVD zum Schutz von Schwulen und Lesben durch das Grundgesetz.

Veröffentlichungen [Bearbeiten]

Weblinks [Bearbeiten]

Commons Commons: Heiner Geißler – Bilder, Videos und Audiodateien

Quellen [Bearbeiten]

  1. gedr. u.a. in Ralf Floehr: Ordnung ist die halbe Rede: Wortgefechte aus dem deutschen Bundestag. Krefeld 1985, S. 167.
  2. 'Alter Wilder' trifft auf 'König Kurt' Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler vermitteln für die Bahn - EUROPOLITAN
  3. Interview in Spiegel Online, 16. Mai 2007
  4. Interview in Die Zeit Zuender KW 21, 2007
  5. Dr. Heiner Geißler Bundesminister a.D. im Gespräch mit Werner Reuß
  6. Interview mit Geißler, Die Woche, Ausgabe vom 13. Oktober 1995
  7. [http://www.focus.de/politik/deutschland/g8-gipfel/cdu_aid_62400.html Polizeigewerkschaft für Parteiausschluss von Geißler in Focus vom 4 Juni 2007
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