Freitag, 28. August 2009

MODERNES DEUTSCHLAND

http://www.welt.de/die‐welt/politik/article4285351/Vier‐Millionen‐Arbeitsplaetze‐so‐koennts‐gehen.html

Vier Millionen Arbeitsplätze ‐ so könnt' s gehen!
Von Wolfgang Clement
9. August 2009
Welt am Sonntag NR. 32 / POLITIK 5
Helmut Kohl hat's 1996 versucht. Zwei Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze sollten es werden. Doch es wurde nichts daraus. Die blühenden Landschaften im ganzen Deutschland beanspruchen ‐ wie wir alle lernen mussten ‐ sehr viel mehr Zeit.
Gerhard Schröder versuchte desgleichen ab 1998 mit drei Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze. Er scheiterte an der "New Economy", die im Jahr 2000 abstürzte und die ihn zwang, das Land mit der Agenda 2010 aus dem tiefen Tal wieder nach oben zu führen.
Jetzt, mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, ist Frank‐Walter Steinmeier an der Reihe. Diesmal sollen es in einem Jahrzehnt vier Millionen neue Arbeitsplätze werden. Wer außer den Grünen, die noch zu jeder Wahl bis zu einer Million zusätzlicher ‐ subventionierter ‐ Arbeitsplätze verkünden, mag es glauben? So schön es auch wäre!
Doch die Zeiten, die sind leider nicht so. Und "die Wirtschaft", die funktioniert, wie Frank‐Walter Steinmeier sehr gut weiß, ist auch nicht so. Deshalb spricht er in seinem "Deutschlandplan" ‐ ein altfränkischer Begriff, sagte man früher, aus Herbert Wehners semantischer Werkstatt ‐ auch lediglich von einem Potenzial von vier Millionen Arbeitsplätzen, das er gern heben möchte.
Aber wie könnte das geschehen? Darum geht nun der Streit ‐ und das ist auch gut so!
Unser Land durchlebt derzeit einen wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess, wie es ihn bei uns noch nie gegeben hat. Wenn wir im nächsten Jahr ein Wachstum null erreichen, können wir froh sein. Die Arbeitslosigkeit wird bis dahin ganz sicher nicht absinken. Die Rekordverschuldung aller öffentlichen Hände und deren Zinsbelastung werden sicher auch nicht sinken. Dazu kommen hohe Arbeitslosigkeit, Kurzarbeitergeld, steigende Sozialkosten ‐ erst recht, wenn wir die demografischen Veränderungen einrechnen. Das ist die Lage. Wie kommen wir da heraus?
Wirtschaft ist kein politisches Wunschkonzert. Arbeitsplätze entstehen nicht von Staats wegen. Sie entstehen aus unternehmerischem Tun. Bürger und Unternehmen aber sind heute durch Steuern und Abgaben, durch ein Übermaß an Gesetzen und Bürokratie nicht zu gering belastet. Im Gegenteil.
Wer dem Unternehmen Deutschland wieder Schwung geben will, der muss als Erstes da, wo es geht, für Entlastungen sorgen und alles, was Aktivität bremst und Entwicklungen aufhält, beseitigen: Die öffentliche Schuldenlast abbauen zählt als Erstes dazu, sobald die Steuern wieder zu fließen beginnen. Ferner müssen die Blockaden gegen die Atomenergie, gegen neue Kohleverbrennungstechnologien, gegen die grüne Gentechnologie, gegen die Stammzellforschung beseitigt werden. Staatlich verantwortete Kosten, etwa im Energie‐ und Gesundheitsbereich, müssen zurückgefahren werden.
Stattdessen: Wir müssen Wettbewerb fördern. Genehmigungsverfahren beschleunigen. Die Unzahl von Behörden in Ländern und Gemeinden reduzieren. Die Sozialsysteme demografiesicher machen. Kräftig in Bildung investieren, und Forschung und Entwicklung steuerlich unterstützen.
So etwa könnte eine Politik aussehen, die unser Land aus der Krise führt. Es geht, erfordert allerdings Mut und Kraft zur Wende. Dann sind vielleicht sogar vier Millionen Arbeitsplätze mehr drin!