Freitag, 20. Februar 2009

Der tschechische Präsident im EU-Parlament

Der tschechische Präsident im EU-Parlament

Bilanzfälschung

Von Detlef Drewes, Brüssel

http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=news&itemid=10027&detailid=559377

 

Der tschechische Präsident hat am Donnerstag im Europa-Parlament für viel Wirbel gesorgt. Seine Bilanz über den europäischen Alltag fällt dennoch und trotz aller ausdrücklichen Anerkennung der "EU als historisch einmaliges, revolutionäres Projekt" miserabel aus.

Bilanzfälschung möchte man das nennen, denn er macht ja nicht die europäische Idee nieder, er stellt sie nur auf unzulässige Weise der Praxis gegenüber. Man kann aber nicht über den Sinn des Binnenmarktes und der Demokratie philosophieren, ohne auch über die Harmonisierung von Gesetzen zu reden. Welchen Sinn macht ein freier Wettbewerb, wenn man nicht auch die Hersteller-Vorschriften für Spielzeug angleicht? Das eine als Ideal, das andere als Bevormundung hinzustellen, ist unseriös.

Dabei hat der Präsident in vielen Fragen nicht einmal Unrecht. Wenn Brüssel als Bestandteil seines Kampfes gegen den Protektionismus den französischen Steuerzahler zwingen will, sein Geld in die schwankende Auto- Industrie zu pumpen, aber Auflagen gegen die Verlagerung der Produktion ins Billig-Ausland untersagt, ist das nicht nachvollziehbar. Und wenn die Kommission Deutschland nicht nur vorschreiben will, welche Strafen bei Umweltdelikten verhängt werden sollen, sondern auch diktiert, wie dies umgesetzt werden soll, hat das mit Souveränität eines Mitgliedstaates wenig zu tun.

Trotzdem ist es kurzsichtig, im Lissabonner Vertrag das Tor zu einer Entmündigung der nationalen Parlamente zu sehen, weil genau der einen Teil der bereits zentralisierten Gesetzgebung wieder zurückverlagert. Das Problem besteht allerdings darin, dass nicht nur die Mütter und Väter des Reformvertrages, sondern auch die Kommission wichtige Weichenstellungen verschlafen hat.

Warum man das Straßburger Parlament zwar zum vollwertigen Mitgesetzgeber macht, aber ihm die Möglichkeit versagt, Regelungen auch anzustoßen, ist nicht erklärbar. Und warum die Kommissare glauben, sie müssten den Bürgern sogar vorschreiben, welche Glühbirnen sie künftig verwenden, entzieht sich - trotz aller ökologischen Richtigkeit - jedem Verständnis. Das ist einfach kein europäisches Thema.

Um es anders zu sagen: Die europäischen Institutionen machen es ihren Kritikern oft leicht, sich zu profilieren. Die Kernfrage heißt: Wie balanciert man das Verhältnis zwischen der europäischen Zentrale und den Regierungshauptstädten richtig aus? Dass sich die EU um die Energiesicherheit oder den Klimaschutz kümmert, wird niemand ernsthaft bestreiten. Aber würde nicht ein Rahmen genügen, der dann durch nationale Maßnahmen gefüllt wird? Muss Brüssel wirklich vorgeben, wie die künftigen Ladegeräte für Handys auszusehen haben? Sicher nicht.

Diese Defizite in der Praxis zu sehen, darf aber nicht dazu führen, sie gegen die Stärken dieser Union auszuspielen. Dass gerade der Prager Präsident dies tut, ist nicht zu begreifen. Es gibt kaum ein Land, das vom gemeinsamen Markt, von Industrieansiedlungen und europäischen Zuschüssen so sehr profitiert hat, wie Tschechien.

Nein, Vaclav Klaus hat nicht Recht. Sein eigenes Land ist der beste Gegenbeweis.

Artikel vom 20.02.2009