Sonntag, 24. Mai 2009

Passives Wahlrecht

LINK
Passives Wahlrecht [Bearbeiten]

Das passive Wahlrecht (auch Wählbarkeit genannt) ist das Recht, bei einer Wahl, beispielsweise zum Deutschen Bundestag, von anderen Wahlberechtigten gewählt zu werden.

Gemäß Art. 19 EG-Vertrag besitzt jeder Unionsbürger in seinem Wohnsitzland, wenn es nicht das Land seiner Staatsbürgerschaft ist, das passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen und Europawahlen. Damit können sich EU-Bürger aus anderen Staaten sowohl in Deutschland wie in Österreich in ein Kommunalparlament oder Kommunalamt wählen lassen.

Rechtskräftig verurteilten Straftätern kann das passive Wahlrecht aberkannt werden (sog. Ausschließungsgründe). Entsprechende Tatbestände sind zum Beispiel Hochverrat und Landesverrat (näheres siehe jeweils bei den Ländern).

Deutschland [Bearbeiten]

In Deutschland genießen alle Bürger ab 18 Jahren das passive Wahlrecht auf kommunaler und Bundesebene. Auf Landesebene liegt das Alter für die Wählbarkeit in Hessen bei 21 Jahren, in allen übrigen Bundesländern bei 18 Jahren.

Bei den Reichstagswahlen am 19. Januar 1919 konnten Frauen in Deutschland erstmals gewählt werden.

Für folgende Ämter sind in der Bundesrepublik Deutschland Mindest- bzw. Höchstalter vorgesehen:

* Bundespräsident: Mindestens 40 Jahre
* Richter am Bundesverfassungsgericht: Zwischen 40 und 68 Jahre
* Landrat: Wechselnde Regelungen in den Bundesländern. In Schleswig-Holstein beispielsweise 27 Jahre am Wahltag.
* Bürgermeister: am Wahltag zwischen 25 und 65 Jahre (§46 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, teilweise unterschiedliche Regelungen in anderen Bundesländern)
* Zum Regierenden Bürgermeister von Berlin kann man ab 21 Jahren gewählt werden.
* Zum Bundeskanzler kann man schon ab 18 Jahren gewählt werden.

Ausschließungsgründe:

* wer durch ein inländisches Gericht wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, verliert automatisch das passive Wahlrecht für fünf Jahre (§ 45 StGB)
* bei bestimmten anderen „politischen“ Straftaten (z. B. Hoch- oder Landesverrat, Wahlfälschung und Wählernötigung) kann außerdem das aktive und passive Wahlrecht für zwei bis fünf Jahre entzogen werden.

Weitere Ausschlussgründe siehe unter Wahlrechtsausschluss.

Österreich [Bearbeiten]

In Österreich besteht allgemeines passives Wahlrecht (Grundvoraussetzung für das passive Wahlrecht ist der Besitz des aktiven Wahlrechts):

* zum Gemeinderat ab dem vollendeten 18. Lebensjahr. Bürger/innen anderer EU-Staaten, die sich mehr als 5 Jahre in Österreich aufhalten, haben (ausgenommen Wien) das passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene; in Wien auf Bezirksebene
* zur Bezirksvertretung (nur in Wien)
* zum Landtag ab dem vollendeten 18. Lebensjahr,
* zum Bundesrat – vom Landtag entsendet, daher ebenso ab dem vollendeten 18. Lebensjahr (Art 35 Abs 1 B-VG)
* zum Nationalrat ab dem vollendeten 18. Lebensjahr (Art 26 Abs 4 B-VG und § 41 NRWO)
* zum Bundespräsidenten, sofern man das Wahlrecht zum Nationalrat besitzt und spätestens mit dem Ablauf des Tages der Wahl das 35. Lebensjahr vollendet hat (Art 60 Abs 3 B-VG)
* zum Europäischen Parlament ab dem vollendeten 18. Lebensjahr (Art 23a Abs 4 B-VG)[1]

Ausschließungsgründe:

* wer durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer strafbaren Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist; dieser Ausschluss vom Wahlrecht endet nach 6 Monaten (§ 22 NRWO und § 3 EuWEG)
* Mitglieder regierender Häuser oder solcher, die ehemals regiert haben, sind laut Art. 60 Abs 3 B-VG und § 6 BPräsWG zum Bundespräsidenten nicht wählbar.
* Personen, die in der NS-Zeit bestimmte Tätigkeiten ausgeübt haben (§ 17 iVm § 18 lit. k Verbotsgesetz)

Schweiz [Bearbeiten]

Bei den nationalen Wahlen ist jede Person mit Schweizer Nationalität, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, wahlberechtigt (sofern nicht wegen Krankheit oder Geistesschwäche entmündigt).

Auf kantonaler und kommunaler Ebene sind (abhängig von der lokalen Gesetzgebung) teils auch dort niedergelassene Angehörige anderer Staaten (Ausländerstimmrecht) zur passiven Wahl zugelassen.

Gleichzeitig haben Gemeinden z.T ein abweichendes Mindestalter für das passive Wahlrecht. Beides wird von einigen politischen Parteien als problematisch betrachtet, da damit keine Wahrnehmung der staatsbürgerlichen Pflichten verbunden sei.

Einschränkungen [Bearbeiten]

Das Wahlrecht kann je nach Jurisdiktion eingeschränkt oder aberkannt werden. So ist es in den USA erlaubt und in vielen US-Bundesstaaten die Regel, Häftlingen das (aktive und passive) Wahlrecht abzuerkennen. Je nach Bundesstaat wird nach der Haft die Wiederanerkennung des Wahlrechts automatisch, auf Antrag oder gar nicht durchgeführt. Etwa 13 % der sonst wahlberechtigten Afroamerikaner seien derzeit ohne Wahlrecht, obwohl nur fast 2 % der Erwachsenen in den USA von diesem Ausschluss betroffen sind.[10] Insofern widerspricht dieses Vorgehen dem Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl, insbesondere deshalb, weil sich die Affinität von Häftlingen und Ex-Häftlingen zu bestimmten politischen Parteien von der Affinität der allgemein Wahlberechtigten zu eben diesen Parteien deutlich unterscheidet.

Geschichte des Wahlrechts [Bearbeiten]

Das parlamentarische Prinzip wurde in England über Jahrhunderte hinweg im Interessenskonflikt mit den Monarchen errungen. Das Wahlrecht war allerdings an Stand und Klasse gebunden. In der Französischen Revolution ab 1789 und in der deutschen Revolution 1848 waren alle männlichen Staatsbürger wahlberechtigt. Die Vereinigten Staaten entwickelten ihr Wahlrecht nach diesen Vorbildern, betrachteten allerdings sehr lang Ureinwohner und Schwarze nicht als vollwertige Bürger.

Im 19. Jahrhundert breitete sich das parlamentarische Prinzip immer weiter aus. Das Wahlrecht war jedoch meistens durch Bedingungen an Stand, Besitz (Kurienwahlrecht), Bildung oder Steuerleistung (Zensuswahlrecht) auf einen kleineren Teil der Gesamtbevölkerung beschränkt. Frühe Ausnahmen waren die USA (seit 1830), die Schweiz (1848) und Deutschland (1871), wo das allgemeine Wahlrecht (für Männer) galt. Es wurde in Österreich 1907 eingeführt.

Das allgemeine Wahlrecht für Männer setzte sich in Europa vor allem ab 1918 durch. Oft gleichzeitig, in einigen Ländern aber auch deutlich später (z. B. Schweiz), kam das Wahlrecht für Frauen hinzu. Das Wahlalter wurde zumeist mit der gesetzlichen Volljährigkeit eines Staatsbürgers gekoppelt, die mit ursprünglich 24 Jahren, dann lange Zeit 21 Jahren und heute vielfach mit 18 vollendeten Lebensjahren definiert ist. In Österreich wurde das Wahlalter zuletzt auf 16 Jahre gesenkt, das Volljährigkeitsalter blieb bei 18 Jahren.

War die Ausübung des Wahlrechts lange Zeit an das persönliche Erscheinen vor der zuständigen Wahlkommission gebunden, so sind heute in vielen Ländern für Reisende bzw. im Ausland lebende Staatsbürger auch diverse Formen von Wahlkarten (zur Stimmabgabe vor einer Wahlkommission außerhalb des Wohnortes des Wählers) und der Briefwahl (Einsendung des ausgefüllten Stimmzettels per Post) in Gebrauch. Elektronische Wahlverfahren über das Internet und die Frage des Wahlrechts für Minderjährige, ausgeübt durch ihre Eltern, stehen in Diskussion.

Deutschland [Bearbeiten]

Otto von Bismarck führte 1867 im Norddeutschen Bund das allgemeine Wahlrecht (für Männer) ein, um die Liberalen zu schwächen. Richtigerweise ging er davon aus, dass die breite Bevölkerung auf dem Lande eher konservativ wählen werde. Langfristig jedoch stärkte das allgemeine Wahlrecht die oppositionelle Sozialdemokratie. 1871 erhielt auch das neugegründete Deutsche Reich das Männerwahlrecht.

In Preußen, dem wichtigsten Einzelstaat, wurde nach dem Steueraufkommen des Einzelnen unterschiedlich gewichtet (siehe Dreiklassenwahlrecht). Auch andere deutsche Staaten hatten diskriminierende Regeln.

Es ist zu berücksichtigen, dass 1871 noch 34 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung jünger als 15 Jahre alt waren (1933 24 Prozent, Bundesrepublik 1980 18 Prozent).[11] Ein Wahlalter von mindestens 25 Jahren schloss also einen großen Prozentsatz der Bevölkerung aus. So kam es, dass 1871 nur knapp zwanzig Prozent der Gesamtbevölkerung wählen durften, trotz allgemeinen Männerwahlrechts.

Erst nach Ende des Ersten Weltkrieges und der Einführung der Weimarer Republik wurde mit dem 19. Januar 1919 das Frauenwahlrecht in Deutschland erstmals umgesetzt. Gleichzeitig wurde auch das bis dahin in Preußen noch geltende „Dreiklassenwahlrecht“ abgeschafft, das die besitzenden (z. B. Hausbesitzer) und einkommensstarken Bevölkerungsschichten bei der Zuteilung von Mandaten im Preußischen Landtag bis dahin bevorzugt hatte, und das aktive und passive Wahlalter auf 20 Jahre gesenkt. Außerdem wurde Deutschland damals eine parlamentarische Demokratie, da der Reichstag (indirekt) über die Zusammensetzung der Regierung mitbestimmen konnte.

Nach der Errichtung der nationalsozialistischen Einparteien-Diktatur hatten Wahlen zwar keine relevante politische Bedeutung mehr. Trotzdem wurde Frauen das passive Wahlrecht 1933 entzogen; Juden hatten theoretisch ab März 1936 kein Wahlrecht mehr.

Die Grundsätze für die Wahl in der Bundesrepublik Deutschland (seit 1949) sind im Grundgesetz aufgelistet, Details der Wahl bestimmt das Bundeswahlgesetz.

* 1945: Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht wird von 20 auf 21 Jahre angehoben.
* 1970: Die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht wird von 21 auf 18 Jahre gesenkt. (Quelle: bundestag.de)
* 1974: Das Volljährigkeitsalter, und damit die Altersgrenze für das passive Wahlrecht, wird ebenfalls auf 18 Jahre herabgesetzt.
* 1995: In Niedersachsen wird das Wahlalter für Kommunalwahlen auf 16 gesenkt. Weitere Bundesländer folgten.
* 2004: Ein neues Wahlrecht in Hamburg wird per Volksentscheid für die Landesebene eingeführt. Es gibt der Direktwahl von Kandidaten für die Hamburgische Bürgerschaft und die Bezirksparlamente eine höhere Gewichtung als der Wahl von Parteilisten.
* 2006: Das Kernelement des Wahlrechts in Hamburg von 2004, die höhere Gewichtung der Direktwahl von Abgeordneten als der Wahl von Parteilisten, wird durch ein Wahlrechtsänderungsgesetz, beschlossen mit der absoluten Mehrheit der Stimmen der Hamburger CDU, wieder abgeschafft.

Österreich [Bearbeiten]

* 1848 Einführung des Zensuswahlrechts.
* 1873 Reichsratswahlreform in der österreichischen Reichshälfte der Monarchie (Kurienwahlrecht): Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses wurden aufgrund des Zensuswahlrechts in vier Kurien (adlige Großgrundbesitzer, Stadtgemeinde, Handel und Gewerbe, Landgemeinden) gewählt. Wahlberechtigt waren nur etwa 6 % der männlichen Bevölkerung ab 24 Jahren; die erforderliche jährliche Mindeststeuerleistung war örtlich verschieden geregelt und betrug etwa in Wien 10 Gulden. In der Großgrundbesitzerkurie waren auch „eigenberechtigte“ Frauen, d. h. Frauen, die sich selbst vertraten, wahlberechtigt.
* 1882 Taaffe'sche Wahlrechtsreform: Die Steuerleistung zur Wahlteilnahme wurde auf 5 Gulden herabgesetzt.
* 1896 Badenische Wahlreform schuf eine allgemeine Wählerklasse. (Die 5. Kurie war die allgemeine Klasse männlicher Wähler ab 24 Jahre.) Die Mitglieder der ersten 4 Kurien durften in der 5. Kurie noch einmal wählen, die Anzahl der Mandate pro Wählerstimme war zwischen den Kurien ungleich verteilt.
* 1907 Beck'sche Wahlrechtsreform: Abschaffung des Kurienwahlrechts und Einführung eines allgemeinen Männerwahlrechts (aktives Wahlrecht: 24 Jahre; passives Wahlrecht: 30 Jahre).
* 1919 Nach dem Untergang Österreich-Ungarns und dem Gesetz vom 12. November 1918 über die Staats- und Regierungsform in Deutschösterreich erlangten auch die Frauen das allgemeine und gleiche Wahlrecht.
* 1920 Für die Wahl der konstituierenden Nationalversammlung Deutschösterreichs vom 16. Februar 1919 wurde ein eigenes Wahlgesetz geschaffen. Übergang zum Verhältniswahlrecht (Proporzwahlrecht), das v. a. von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) gefordert wurde.
* 1929 Reform der Bundesverfassung, dabei auch Reform des Wahlgesetzes (Volkswahl des Bundespräsidenten)
* 1933 bis 1938 Ständestaat, das Parlament wurde aufgelöst und nicht wieder eingesetzt
* 1938 bis 1945 Teil des Deutschen Reiches
* 1945 Mit der Neugründung (Wiedererrichtung) der Republik Österreich gilt auch wieder das Wahlrecht von 1929. Bei den ersten freien Nationalratswahl nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs am 25. November 1945 sind allerdings ehemalige Nationalsozialisten von der Wahl ausgeschlossen (siehe auch Nationalratswahl in Österreich 1945).
* 1970 und 1992 wurde die Nationalratswahlordnung (NRWO) reformiert.
* 2003 Herabsetzung des Wahlalters von 19 auf 18 Jahre (BGBl. I Nr. 90/2003)
* 2007 Herabsetzung des aktiven Wahlalters von 18 auf 16 Jahre, Vereinfachung von Briefwahl und Wählen im Ausland, Verlängerung der Wahlperiode von vier auf fünf Jahre, Herabsenkung des passiven Wahlalters von 19 auf 18 Jahre (BGBl. I Nr. 27/2007 und 28/2007).[1]

Schweiz [Bearbeiten]

Das allgemeine Wahlrecht für Männer wurde in der Schweiz bereits 1848 eingeführt – allerdings mit Einschränkungen in der Umsetzung in den Kantonen. Die Ausweitung auf die gesamte erwachsene Bürgerschaft erfolgte mit der Annahme der Vorlage für das eidgenössische Stimm- und Wahlrecht für Frauen am 7. Februar 1971. 621.109 (65,7 %) Ja- gegen 323.882 (34,3 %) Nein-Stimmen gingen bei einer Stimmbeteiligung von 57,7 % ein. Die Schweiz ist das einzige Land, in dem die Männer den Frauen das Wahlrecht in einer Abstimmung erteilt haben.

Großbritannien [Bearbeiten]

Unter Edward I. wurden 1295 erstmals Ritter und Bürger in offenen Wahlen ins Parlament gewählt.

So wie die Ursprünge des bundesdeutschen Parlamentssystems vom englischen Modell abstammen, so sind auch die Ursprünge des deutschen Wahlrechts teilweise in England zu finden (siehe Mehrheitswahl). Jedoch wurde in Deutschland recht früh das allgemeine (Männer-)Wahlrecht eingeführt, während in England noch sehr viel länger (bis zum Ersten Weltkrieg) große Teile der Bevölkerung ihrer finanziellen Situation wegen ausgeschlossen wurden. Bis 1918 durften etwa 52 Prozent der Männer wählen.

Niederlande [Bearbeiten]

In den Niederlanden war ungefähr seit 1866 das parlamentarische Prinzip durchgesetzt. Wählen durfte, wer bestimmte „Anzeichen von Wohlstand und Befähigung“ vorweisen konnte. Nach dem Wahlgesetz von 1896 war dies ungefähr die Hälfte der erwachsenen Männer, und durch eine Gesetzesänderung von 1901 und wachsenden Wohlstand waren es bei den Wahlen von 1913 68 Prozent. Man wählte nach Wahlkreisen.[12]

1917 wurde das Grundgesetz geändert und das allgemeine Männerwahlrecht eingeführt, gleichzeitig mit dem Verhältniswahlrecht. Am 3. Juli 1918 wurde erstmals nach dem neuen Wahlrecht gewählt. Das Frauenwahlrecht folgte durch einfache Gesetzesänderung 1919.[13]