Autokrise
General Motors nutzt Rüttgers als Opel-Sprachrohr
Von Klaus Kelle 19. Februar 2009, 08:05 Uhr
http://www.welt.de/wirtschaft/article3231624/General-Motors-nutzt-Ruettgers-als-Opel-Sprachrohr.html
Nach dem vorgelegten Sanierungskonzept für den angeschlagenen US-Autobauer General Motors droht den Werken der deutschen Konzerntochter Opel dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zufolge vorerst keine Gefahr. Der Politiker war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Opel ist durch die Schieflage seines Mutterkonzern GM stark angeschlagen. Dabei gab es mal richtig gute Zeiten für das Unternehmen: Mit dem Admiral baute Opel ein Modell für die Oberschicht. Doch der er zur Schau gestellte Luxus ist längst Geschichte, der Autobauer schaut in den Abgrund. Wir blicken in die Opel-Vergangenheit...
Jürgen Rüttgers ist ein Mann, der weiß, wie man eine politische Botschaft effektvoll in alle Welt verbreitet. „Ich bin sehr froh und glücklich“, rief der nordrhein-westfälische Ministerpräsident gestern Nachmittag auf einer improvisierten Pressekonferenz im imposanten General Motors-Hauptquartier in Detroit in die Fernsehkameras der großen deutschen Sender. Nach einem einstündigen Gespräch mit GM-Boss Rick Wagoner konnte der CDU-Politiker vorerst Entwarnung geben. „Es gibt keine Entscheidung zur Schließung von Standorten in Deutschland“, sagte er und meinte damit wohl in erster Linie den Opel-Standort Bochum in seinem Bundesland mit immerhin 5.000 Mitarbeitern.
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General Motors muss sparen, massiv sparen. 13,4 Milliarden Dollar hatte die US-Regierung dem Automobilkonzern jüngst bewilligt, um eine drohende Pleite abzuwenden. Doch das ist zum Überleben zu wenig. Schon droht erneut die Pleite zum Ende des ersten Quartals 2009 und der US-Branchenführer benötigt dringend weitere 16,6 Milliarden. Um die Regierung Obama von der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu überzeugen, hatte Wagoner am Vortag einen harten Sanierungsplan angekündigt. Der sieht u. a. den Abbau von 26.000 Stellen außerhalb der USA vor. Und wenn es schlecht läuft, könnten auch die vier deutschen Standorte davon betroffen sein.
Rüttgers’ Besuch bei Wagoner war schon viele Wochen vor dieser dramatischen Entwicklung vereinbart worden. Doch gestern war der Ministerpräsident, der sich bereits mehrfach als Anwalt bedrohter Belegschaften und der sogenannten „kleinen Leute“ profiliert hatte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Denn während die führenden Politiker in Deutschland die Entwicklung am Bildschirm verfolgten, stand CDU-Mann Rüttgers in der Detroiter GM-Zentrale im Fahrstuhl zur 29. Etage. Von dort noch zwei Treppen zu Fuß und drei Sicherheitskontrollen, dann eine fast freundschaftliche Begegnung mit Wagoner, dem Boss von 245.000 Beschäftigten weltweit, unter ihnen die 5.000 in Bochum.
Dass er nicht als Bittsteller kommen würden, hatte Rüttgers schon am Vortag klar gemacht, als er frühmorgens in der Kälte vor dem traditionsreichen Washingtoner Hay Adams-Hotel gegenüber Medienvertretern kämpferisch Gerüchten über eine Schließung des Bochumer Werks entgegentrat: „Die Manager hier müssen wissen, dass sie nicht einfach über das Schicksal von Menschen in Deutschland und Nordrhein-Westfalen entscheiden können und wir das dann hinnehmen.“
(Umfrage Sollte Opel in Deutschland notfalls verstaatlicht werden?
Ja, wenn das Jobs sichert
Nein, der Staat ist kein Autobauer abstimmen
Ergebnis
43%
Ja, wenn das Jobs sichert
57%
Nein, der Staat ist kein Autobauer
8451 abgegebene Stimmen)
Und so marschierte der Mann, der es durchaus gern hört, wenn ihn Medien bisweilen als „Arbeiterführer“ bezeichnen, um mit Wagoner „auf Augenhöhe“ zu verhandeln. NRW, so Rüttgers’ Botschaft, ist bereit, Opel beim Überleben zu helfen und dabei keine Option auszuschließen. Doch – so Rüttgers selbstbewusst – „bevor wir über die richtigen Instrumente reden, muss das Ziel klar sein“. Und das kann nach Lage der Dinge nur heißen: eine langfristige Bestandgarantie für den Standort Bochum.
„Es ist mir sehr wichtig, dass die Opel-Mitarbeiter und ihre Familien heute die Sicherheit haben, dass es keine Entscheidung über die Schließung von Standorten in Deutschland gibt“, sagte Rüttgers, und wer ihn in diesen Tagen erlebt, zweifelt nicht, dass er das ehrlich meint. Und dann legt er nach: Der Bund muss die Initiative ergreifen, Vertreter der Arbeitnehmer müssen in die Verhandlungsrunden einbezogen werden, Opel muss im Fall einer GM-Neustrukturierung Zugriff auf die eigenen Markenrechte haben!
Der NRW-Ministerpräsident hat gestern erneut große Politik gemacht, während viele andere in Deutschland nur Zaungäste sind. Sichtlich zufrieden mit seinem Tagwerk bestieg Jürgen Rüttgers am Abend in Detroit ein Flugzeug nach Boston. „Ich würde jetzt gern mal eine Stunde schlafen“, sagte er beim Einstieg zu seinen Begleitern. Heute hat er wieder ein dichtes Progamm: Es geht um Forschung, Lehre und Wissenschaft.